UBER ist ein Beförderungsdienst, sagt der Generalanwalt

11/05/17

Was ist Uber? Handelt es sich um ein Verkehrsunternehmen, ein Taxiunternehmen, um es offen auszusprechen? Oder ist Uber nur eine elektronische Plattform, die es möglich macht, einen von einem Dritten erbrachten Beförderungsdienst zu finden, zu buchen und zu bezahlen? Das sind die Fragen, die sich Generalanwalt Maciej Szpunar stellt (und zwar bei Rz. 41) und heute in seinen mit großer Neugier erwarteten Schlußanträgen im spanischen UBER-Fall (Rs. C-434/15), vor der Großen Kammer des EuGH, für seinen Teil beantwortet hat.

Wie in einem unserer Blogeinträge erwähnt, legte ein Handelsrichter in Barcelona dem EuGH vor, bei dem eine Taxifahrervereinigung UBER wegen unlauteren Wettbewerbs verklagt hat. Der Richter ersuchte um Vorabentscheidung der Frage, ob UBER Informationsgesellschaftsdienste, Vermittlungsdienste oder Beförderungsdienste leiste. Während Erstere den Mitgliedstaaten praktisch keinen ordnungspolitischen Spielraum lassen würden, ließen die beiden Letzteren, und insbesondere Beförderungsdienste, eine Regulierung sehr wohl zu.

GA Szpunar beginnt beinahe wörtlich mit einem Fußtritt und erklärt, es sei völlig unerheblich, ob UBER der partizipativen Wirtschaft zuzurechnen sei. Dieser Fall errege besondere Aufmerksamkeit wegen der „Sharing”-Debatte, einverstanden. Aber es sei „nutzlos“ die genaue Bedeutung des Begriffes „partizipative Wirtschaft“ zu erörtern – so eine vernünftige Begriffsbestimmung überhaupt möglich ist, möchte man hinzufügen (vgl. Fußnote 13 der Schlußanträge, starker Tobak!).

Umgekehrt sei es sehr wohl erheblich, ob nun UBER die Beförderungsdienstleistung beherrsche oder nicht. GA Szpunar glaubt, daß die folgenden vier Faktoren für eine bejahende Antwort sprechen: (i) UBERs dynamisches Preissystem; (ii) Mindestanforderungen an die Sicherheit der Fahrer und Fahrzeuge; (iii) Kontrolle des Angebotes an Fahrern, die UBER auffordert, dann und dort zu arbeiten, wenn bzw. wo die Nachfrage hoch ist; und (iv) Einfluß auf das Verhalten von Fahrern und Fahrgästen vermittels eines Bewertungssystems, verbunden mit der Drohung an beide Gruppen, von der Plattform ausgeschlossen werden zu können (Rz. 51 der Schlußanträge). Letztlich ist für GA Szpunar entscheidend, daß UBERs Beförderungsdienste ohne die UBER-Plattform unvorstellbar seien, im Unterschied zu – so meint er jedenfalls – Online-Buchungszentralen für Hotels oder Flüge und selbst andere Taxiapps (z.B. Hailo oder MyTaxi, die sich jüngst zusammengeschlossen haben). In seinen eigenen Worten unternimmt UBER „viel mehr, als nur Angebot und Nachfrage zusammenzuführen: Sie hat dieses Angebot selbst generiert.“ (Rz. 43).

Ungeachtet der Arbeitsbeziehungen zwischen UBER und seinen (!) Fahrern oder der Frage, wem die Fahrzeuge gehören (was Gegenstand der Erörterung vor dem EuGH war, GA Szpunar aber entscheidungsunerheblich erscheint) biete UBER sowohl Transport als auch elektronische Vermittlung an. Angesichts der Gestaltung von UBERs Diensten müsse Letzterer vor Ersterem weichen. Angesichts dessen dürfen nationale (im konkreten Fall gar örtliche) Behörden Lizenz- und andere Marktzutrittserfordernisse aufstellen, denn Beförderungsdienste sind von der Dienstleistungsrichtlinie ausgenommen.

GA Szpunar behauptet, jegliche andere Schlussfolgerung führe zu Rechtsunsicherheit, indem sie Schlupflöcher schaffe und Normverstöße fördere. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 29. November 2016 waren Frankreich, Spanien und Irland einige der Mitgliedstaaten, welche die Klägerin unterstützten. Sie wollen UBER als Beförderungsdienstleistung behandelt und nationaler Ordnungspolitik unterworfen sehen. Man kann sich fragen, ob ein derartiger Schwarz-Weiß-Ansatz tatsächlich Rechtssicherheit schafft für die Vielzahl von Plattformen, die es in nächster Zeit zu prüfen gelten wird.

Bemerkenswerterweise führt GA Szpunar weiterhin aus, dass sein Ergebnis selbst dann unverändert gälte, wenn man annähme, dass UBER sowohl einen Beförderungsdienst als auch einen elektronischen Vermittlungsdienst erbringt, und keiner vor dem jeweils anderen weichen muss. In diesem Fall würde die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr Marktzutrittserfordernissen für Vermittlungsdienste entgegenstehen, nicht aber solchen für Beförderungsdienste – und UBER würde ja beide erbringen. Was wiederum in diesem konkreten Fall zutreffen mag, aber für andere Plattform-Dienstleistungen ein Riesenunterschied sein könnte.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung stellten sich die Europäische Kommission und die Niederlande (wo sich zufällig UBERs Europäische Zentrale befindet) auf Seiten UBERs und beantragten, diese Plattform als Dienst der Informationsgesellschaft anzusehen. Das würde sie vollständig nationalen oder örtlichen Vorschriften für Taxis entziehen.

Es ist verfrüht, über die Folgen dieser Schlussanträge für andere digitale Dienste zu spekulieren, die sich im Dunstkreis oder jenseits des (sozialen, nicht aber rechtlichen) Begriffs der „partizipativen Wirtschaft“ ansiedeln – der tatsächlich arg breit erscheint… Warten wir erst einmal ab, ob die Große Kammer dem Generalanwalt folgt bei dessen Großem Sprung… nach vorn?

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