Streit in spanischen Häfen aus Sicht der EU

19/02/17

Der Aufruhr der letzten Tage im Bereich der Hafenumschlagdienste hat einige spanische Besonderheiten seiner rechtlichen Ausgestaltung in Erinnerungen gerufen, die aus EU-rechtlicher Sicht eher überraschen. Es geht um einen Wirtschaftszweig, der viele Jahre außerhalb der Binnenmarktregeln liegt und dessen Anpassung, wiewohl unvermeidlich, dem frisch ernannten Minister für Infrastruktur einiges Kopfzerbrechen bereiten dürfte.

Am 11. Dezember 2014 erklärte der EuGH, Spanien verletze Artikel 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) indem es Umschlaggesellschaften in seinen Häfen zwingt (i) sich am Kapital der jeweiligen Verwaltungsgesellschaft für Umschlagdienste (Sociedad Anónima de Gestión de Estibadores Portuarios, SAGEP) zu beteiligen; und (ii) bevorzugt Personal dieser SAGEP anzuheuern.

Alles begann 2011, als die Kommission Spanien um Auskünfte zu dem gesetzlichen Rahmen für Hafenumschlagdienste gem. dem Gesetz über Staatshäfen  (Artikel 142 ff.) bat. Die Kommission hielt diese Auskünfte für unzureichend und verklagte Spanien vor dem EuGH. Sie war der Auffassung, dass jener Rahmen zwar nicht zwischen spanischen und EU-ausländischen Arbeitnehmern diskriminiere, wohl aber die Niederlassungsfreiheit einschränke. Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten müssen ihr Personalstruktur und ihre Einstellungspraxis ändern, um in spanischen Häfen Frachtladedienste anbieten zu können.

Spanien wandte damals ein, Hafenumschlagdienste erforderten eine gesetzliche Regelung um (i) die Arbeitnehmer zu schützen, indem man ihre Ausbildung und Sicherheit gewährleiste; und (ii) ununterbrochene, regelmäßige und hochwertige Umschlagdienste sicherzustellen. Der EuGH hielt die Zielsetzung für legitim, die spanische Hafengesetzgebung jedoch für einschränkender als nötig: es sei unverhältnismäßig, einen ganzen Wirtschaftszweig vor den Regeln freien Wettbewerbs abzuschirmen. Allerdings stellte das Urteil, wie in diesen Fällen üblich, nur die Vertragsverletzung fest. Es oblag Spanien, innerhalb einer angemessenen Frist die nötigen Umsetzungsmaßnahmen zu treffen.

Eineinhalb Jahre später verklagte die Kommission Spanien erneut, weil es keinerlei Maßnahmen getroffen hatte. Diesmal beantragte sie die Feststellung, der Verletzung des ersten Urteils und ein Zwangsgeld für jeden weiteren Tag der Vertragsverletzung Spaniens. Diese dauert bis zum heutigen Tage weiter an. Allerdings zeigt die Regierung gewisse Anzeichen von Eile, denn das neuerliche Urteil steht an und könnte Spanien ein tägliches Zwangsgeld in Höhe von 134.107,20 Euro zuzügliche einer Buße von 27.522 Euro für jeden Tag seit dem Datum des ersten Urteils bescheren.

Die spanische Hafenumschlagwirtschaft bleckt die Zähne, und eine Kompromisslösung erscheint schwierig. Wir können uns schwerlich mit der haarigen Frage beschäftigen, was denn eine angemessene Entlohnung für Hafenumschlagarbeiter sein mag, deren Arbeitsbedingungen zweifelsohne besonders gefahrenträchtig sind. Fest steht allerdings, dass das noch geltende spanische Recht mit einer Marktwirtschaft völlig unvereinbar ist.

Die Regierung hat für diese Woche eine neue Rechtsverordnung angekündigt. Was sie darin ändern mag, wird sich zeigen. Aber der Tag rückt näher, an dem sich dieser Wirtschaftszweig, wie jeder andere auch, dem Gemeinsamen Markt anzupassen hat, der immerhin seit genau 60 Jahren besteht… Im Übrigen hat die spanische Kartellbehörde CNMC als persönlichen Beitrag zur festlichen Stimmung soeben ein förmliches Bußgeldverfahren gegen Gewerkschaften und Hafenumschlaggesellschaften in Spaniens größtem  Hafen Vigo eingeleitet.

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