Nun sind die Anwälte dran

19/10/16

Am 15. September 2016 bebußte der Rat der spanischen Wettbewerbsbehörde („CNMC“) zwei Rechtsanwaltskammern, die Kammer von Madrid (ICAM) und diejenige von Alcalá de Henares (ICAAH). Ein weiteres Mal stellt die CNMC eine alte, aber durchaus streitige Frage: sind die „Kriterien“ für Gebühren, die Anwaltskammern veröffentlichen, rechtmäßig? Die CNMC verneint dies, aber man mag aus der abweichenden Meinung des CNMC-Ratsmitglieds F. Torremocha auf eine lebhafte Debatte schließen.

Die beiden Bußgeldentscheidungen haben vor allem deshalb Nachrichtenwert, weil die CNMC im vergangenen Monat Juni bekannt gab, ein förmliches Verfahren gegen mehrere Anwaltskammern in Spanien eröffnet zu haben (Aktz. S/DC/0587/16). Ein weites Feld – deshalb möchten wir uns hier darauf beschränken, einige unserer Zweifel am Vorgehen der CNMC zu skizzieren:

  • Zuständigkeit: die Bußgeldbeschlüsse gegen ICAM und ICAAH ergingen in einem Verfahren, das die Landeskartellbehörde Madrid betrieben hatte und dann die CNMC abschloss. Das entspricht der für beide Ämter geltenden Kooperationsvereinbarung. Die Untersuchung mit dem Aktz. S/DC/0587/16 leitete die CNMC jedoch direkt ein, ohne jegliche Mitwirkung der Landeskartellbehörden. Es mag verfrüht sein, daraus Schlüsse ziehen zu wollen. Aber diese Verfahrenseröffnung durch die CNMC überrascht, hatten sich doch bislang stets die Landeskartellbehörden mit Kammern in ihrem Zuständigkeitsgebiet befasst.
  • „Richtwerte“ und „Kriterien“: die beiden Bußgeldbeschlüsse betonen die frühe Warnung der CNC, sie halte eine semantische Unterscheidung für nötig zwischen (i) Richtwerten für Anwaltsgebühren, d.h. „Preislisten“; und (ii) Kriterien für derartige Gebühren, d.h. eine Reihe von Gesichtspunkten, die Anwälte bei der freien Festlegung ihrer Gebühren beherzigen sollten. Nach Auffassung der CNMC ist diese Unterscheidung unverzichtbar, um die 4. Zusatzbestimmung zum Berufsverbandsgesetz richtig auszulegen, da dieses ein allgemeines Verbot der Gebührenfestlegung aufstellt. In ihren beiden Bußgeldbeschlüssen hält die CNMC diesen Standpunkt aufrecht und straft entsprechend die beiden Anwaltskammern.

Die Lesart der CNMC wirft, wie wir finden, zwei grundsätzliche Fragen auf: erstens, was denn Sinn und Zweck der 4. Zusatzbestimmung zum Berufsverbandsgesetz sein mag. Zweitens, warum es wohl jemand für nötig befunden hat, eine „Ausnahme“ zum allgemeinen Verbot in Form von „Kriterien“ (im Sinne der CNMC) vorzusehen, die ohnehin keinerlei wettbewerbsrechtlichen Bedenken begegnen. Ein semantischer Unterscheid mag durchaus bestehen, aber hilft es im Rahmen der Anfechtung einer Kostenentscheidung – bei der es ausschließlich darum geht, den fälligen Betrag genau zu beziffern – dem Gericht, wenn die Anwaltskammer auf einen Haufen Gemeinplätze verweist, etwa Schwierigkeit der Rechtssache, Arbeitsaufwand, technische Tücken, usw.? Ohnehin wird das Gericht diese Gesichtspunkte zweifellos besser bewerten können. In anderen Worten: sind die Begriffe auch verscheiden (Richtwerte / Kriterien) so hegen wir doch beträchtliche Zweifel an der Vorstellung, der Gesetzgeber habe die 4. Zusatzbestimmung zum Berufsverbandsgesetz in der Absicht verabschiedet, Anwaltskammern das Schwadronieren über „Kriterien“ mit der Wortbedeutung der CNMC zu erlauben.

  • Veröffentlichung ja oder nein?: die CNMC scheint der Veröffentlichung und der öffentlichen Zugänglichkeit der „Kriterien“ oder „Richtwerte“ besonderes Gewicht beizumessen. Auch hier vermissen wir den Blick auf die Praxis. Welche Auskunft vermittelt denn einem Bürger, dass Anwaltsgebühren angemessen sind – und zwar diejenigen der Gegenseite, denn die eigenen hat der Bürger im Zweifel schon von Anfang an ausgehandelt? Wir sprechen wohlgemerkt von der Anfechtung von Kostenfestsetzungsbeschlüssen und diese betreffen – das sollte klar gesagt werden, denn nur darum dreht sich das Gesetz – den genauen Betrag geschuldeter Anwaltsgebühren und nicht eine Reihe allgemeiner Betrachtungen, die für Gericht und Verfahrensbeteiligte gleichermaßen wertlos sind. Wie in aller Welt soll eine Anwaltskammer auf die Frage eines Gerichts hin angemessene Gebühren nennen, ohne sie zu beziffern?

Lebbe geht weider…

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