Wie der Zufall so spielt: Glückauf bei Nachprüfungen

04/07/16

Unterhaltsam wie stets haben drei Posts auf dem Blog der Spanischen Kartellbehörde (Comisión Nacional de los Mercados y la Competencia, CNMC) kürzlich erklärt, was es mit Nachprüfungen, besser bekannt als dawn raids, so auf sich habe.

Unabhängig davon, was nun CNMC-Beamte unter „Morgengrauen“ verstehen mögen, beschreiben die Posts zwar die (stets tadellose) Form der Nachprüfungen, nicht aber den Inhalt. Insbesondere beantworten sie nicht die Kernfrage: was dürfen die Inspektoren mitnehmen? ES findet sich nur ein höflicher Hinweis darauf, dass sie „versuchen werden […], nur das zu erlangen, was für die anhängige Untersuchung von Interesse sein mag.”

Unter den vielen Antworten des Obersten Gerichtshofs (Tribunal Supremo, TS) im Laufe der Jahre ragt ein neues Urteil zu Zufallsfunden heraus:

„Sind Zutritt und Durchsuchung gebührend von einem richterlichen Bescheid gedeckt, und sind die Durchsuchung und die Beschlagnahme von Unterlagen angemessen und verhältnismäßig bezogen auf das Ziel der Nachprüfung und der Untersuchung, dann ist es legitim, zufällig gefundene und mit dem Gegenstand der Untersuchung nicht zusammenhängende Unterlagen zu gebrauchen für Bußgeldverfahren gegen andere rechtswidrige Handlungen als die von dem Durchsuchungsbescheid gedeckten. Das gilt, wenn diese Unterlagen Hinweise auf solche rechtswidrigen Handlungen enthalten, vorausgesetzt, das Verfahren nach dem Fund dieser Unterlagen ist ebenfalls verfahrensrechtlich angemessen.”

IM Dezember 2009 durchsuchte die damalige spanische Kartellbehörde (Comisión Nacional de la Competencia, CNC) die Geschäftsräume der Montesa Honda im Rahmen der Untersuchung einer möglichen vertikalen Wettbewerbsbeschränkung durch das Unternehmen und seine Vertragshändler (Informationsaustausch und Koordinierung der Geschäftsstrategien). „Angesichts technischer Schwierigkeiten mit der EDV und da es unmöglich war, eine sehr große Menge Unterlagen vor Ort zu filtern, beschlagnahmte man einen Teil davon zur späteren Durchsicht“ am Sitz der CNC. Dort fanden die Beamten en E-Mail, das sich auf einen anderen, horizontalen Verstoß bezog, der in keiner Beziehung zu den Vertriebshändlern von Montesa Honda’s stand. Die CNC leitete auf der Grundlage dieses Beweisstücks ein separates Verfahren ein.

Montesa Honda focht die Verfahrenseröffnung auf Grund dieses E-Mails an, erst durch Widerspruch vor der CNC selbst, dann durch Klage vor dem Kartellgericht (Audiencia Nacional, AN), und trug eine Verletzung ihres Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung vor. Die AN gab der Klage am 4. Dezember 2012 statt.

In den beiden letzten Jahren hat der TS Nachprüfungen teilweise oder gänzlich für rechtswidrig erklärt, weil (i) die Anordnung das Ziel der Nachprüfung nicht genau genug angab (so der Fall Trasmediterránea, der zur Aufhebung zweier CNC-Bußgeldbescheide über 48,2 Millionen Euro führte; und der Unesa-Fall, in dem der TS Bußgelder in Höhe von insgesamt 61 Millionen Euro aufhob); (ii) die Inspektoren dem Unternehmen verschwiegen, dass der Richter einen Durchsuchungsbescheid abgelehnt hatte (Montibello-Fall); oder, bei einem ähnlichen Sachverhalt wie im Falle Montesa Honda, (iii) die CNC Unterlagen beschlagnahmt hatte, die keinnen Bezug zum Gegenstand der Nachprüfung aufwiesen (Colgate Palmolive-Fall).

Auf europäischer Ebene entschied der Gerichtshof der EU in der Rechtssache C-583/13 P Deutsche Bahn, dass die Kartellbehörde nicht absichtlich nach Beweisen suchen dürfe, die keinen Bezug zum Gegenstand der Nachprüfung aufweisen, mögen sie auch mit anderen anhängigen Untersuchungen zusammenhängen. Es lohnt sich, die Schlussanträge in dieser Rechtssache eines unserer Lieblingsgeneralanwälte, Nils Wahl, zur Begriffsbestimmung von „Zufallsfunden“ zu lesen. Zuvor hatte der Generalanwalt die für die Nachprüfungen verantwortlichen Beamten eingehend im Termin zur mündlichen Verhandlung befragt.

Der TS nimmt von jeglicher auch nur entfernt ähnlichen Sachverhaltsprüfung Abstand, ebenso von Gedanken dazu, wie denn die CNC „zufällig“ das belastende E-Mail gefunden haben mag, das überhaupt keinen Bezug zu den verfahrensgegenständlichen Vertragshändlern aufweist, während sie mit Hilfe einer Stichwortliste Datenberge durchforstete. Jedoch begründet der TS eine Rechtsprechung zur „Zufallsfunden“ bei der Durchsicht sehr großer, bei einer Nachprüfung kopierter elektronischer Datensätze. Einige mögen einwenden, diese Rechtsprechung sei nicht vollends absurd, sei es doch unzulässig, bei einer Nachprüfung jeglichen Datensatz zu kopieren. Vielleicht. Der TS bestimmt aber nicht deutlich, was unter der „angemessenen und verhältnismäßigen“ Durchsicht und Beschlagnahme von Unterlagen zu verstehen sei.

Fortsetzung folgt…

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