Gas Natural: Kartellrecht und unlauterer Wettbewerb

06/04/16

Am 15 März 2016 erging das Urteil des Spanischen Obersten Gerichtshofs (Tribunal Supremo) in einem Anwendungsfall des Artikels 3 des spanischen GWB (Gesetz 15/2007 vom 03.07.2007 zum Schutz des Wettbewerbs, LDC). Diese Vorschrift erlaubt Kartellbussen bei unlauterem Wettbewerb, der dem Gemeinwohl schadet. Wie in der Vorinstanz das Kartellgericht (Audiencia Nacional) bestätigte der Oberste Gerichtshof das Bußgeld in Höhe von 2,65 Millionen Euro, das die frühere spanische Kartellbehörde (Comisión Nacional de la Competencia, CNC) im Juli 2011 gegen Gas Natural Comercial SDG, S.A., verhängt hatte (Aktz. S/0184/09, ATR Gas Natural).

Die CNC sah einen Verstoß gegen Artikel 3 LDC in einer Informationskampagne von Mai bis September 2009. Der Vertriebsarm des Unternehmens, Gas Natural Comercial, hatte Kunden angeschrieben, um die Hausbesuche von Wettbewerbern anzuschwärzen, und dabei angekündigt, im Gegensatz zu etwaigen Versicherungen dieser Wettbewerber die Gaszufuhr nicht weiter zu gewährleisten. Außerdem distanzierte sich Gas Natural Comercial ausdrücklich von ihren Wettbewerbern und empfahl ihren Kunden eine Reihe von Maßnahmen, um “die höchsten Garantien hinsichtlich Service, Komfort und Vorsorge” bei der Dienstleistung aufrechtzuerhalten.

Der Oberste Gerichtshof bestätigte die Ansicht der CNC und des Kartellgerichts. Beide hielten den Wortlaut der Briefe für unvereinbar mit Artikel 5, 9 und 10 des spanischen UWG (Gesetz 3/1991 vom 10.01.1991, LCD), weil diese irreführend, herabwürdigend und vergleichend waren. Sie würdigten konkurrierende Gaszulieferer und deren Angebote herab, deuteten an, ein Zulieferewechsel sei riskant, und stellten irreführende Behauptungen auf (etwa diejenige, die Gaszufuhr bei einem Wechsel nicht zu gewährleisten – tatsächlich ist dafür ein anderes Konzernunternehmen zuständig, Gas Natural Distribución SDG, S.A.). Zudem liess sich die Erwiderung von Gas Natural Comercial, ihre Kampagne sei nur eine Reaktion auf Beschwerden von Kunden gewesen, nicht beweisen, denn die Kampagne ließ geraume Zeit auf sich warten.

Die Beeinträchtigung des Gemeinwohls, Voraussetzung eines Verstoßes gegen Artikel 3 LDC, leitete die CNC aus folgenden Umständen her: (i) sämtliche Wettbewerber waren das Ziel; (ii) fünf Millionen Briefe betrafen eine Vielzahl von Verbrauchern; (iii) als früherer Monopolist für Gasvertrieb und –verkauf hält der Gas-Natural-Konzern eine marktbeherrschende Stellung auf beiden Märkten inne; und (iv) Ziel war die Behinderung der Öffnung des Gasmarktes und des effektiven Wettbewerbs darauf.

Die Marktbeherrschung durch Gas Natural Comercial allein führte also nicht zur Missbräuchlichkeit ihrer unlauteren Handlungen noch zu einer automatischen Anwendung des 3 LDC. Und tatsächlich entschied der Oberste Gerichtshof schon in einem Urteil vom 20. Juni 2006, das eine Bußgeldentscheidung des früheren Tribunal de Defensa gegen Telefónica aufhob, unlauterer Wettbewerb eines marktbeherrschenden Unternehmens sei nicht immer missbräuchlich, und die Anwendbarkeit des Artikels 3 LDC erfodere keine Marktbeherrschung.

Bei der Unbestimmtheit des gesetzlichen Erfordernisses einer Beeinträchtigung des Gemeinwohls ist es nicht verwunderlich, dass die Kartellbehörden ihre Spitzfindigkeit gewöhnlich darauf verwenden, einer Anwendung des Artikels 3 LDC aus dem Weg zu gehen (hier ein Muster ohne Wert). Wir freuen uns, dass der Oberste Gerichtshof eine Ausnahme zu dieser Gewohnheit bestätigt hat.

Rating Legis SLP

T/F: +34 932 724 264

Provença, 253
08008 Barcelona

 

Top_tier_firms

<!–

Mitglied von:

–>